Uni Tokyo: Plasma, Antrieb und Arbeiten

Was mache ich hier eigentlich?! Das ist eine Frage, die ich mir auch sehr häufig stelle. Vor allem, wenn ich mal wieder in ein fragendes japanisches Gesicht blicke, was auf jeden Satz nur mit einem lang gezogenem „äätttoooo“ oder „Chottoooo“ reagiert. (Japanisch für „Ähhh“ und ein bisschen. Je länger letzeres in die Länge gezogen wird, desto mehr heißt es nein) . Die kurze Antwort auf die Frage warum lautet: Zufall. Die lange allerdings auch.

Exklusiv. Mit professioneller Laienhaftigkeit überbelichtetes und verspiegeltes Bild eines Hallionen Triebwerks.

Ich wollte irgendwo hin, wo es anders ist als bei uns und wo die Menschen genug Geld haben. Die zweite Bedingung war irgendwas mit Plasma. Was heißt das ?
Ätttoooo. Hier entfaltet sich mal wieder großes Potential, Leute in den Tiefschlaf zu reden, deshalb fasse ich es mal kurz und übertrieben zusammen.
Ich würde gerne ein U-Boot durch die Eispanzer der Monde Europa und Enceladus schmelzen, um in den dortigen Ozeanen rumzuschwimmen und zu schauen, ob etwas zurückschaut. Ob es dort etwas gibt, was mit großen Runden Augen irgendwo hinschauen kann, darüber streiten die Gelehrten. Aber genau deshalb lohnt es sich den Kopf dort mal hineinzustecken. Was hat das Ganze mit meiner Diplomarbeit zu tun?
Chooootooooo. Realistisch gesehen wahrscheinlich gar nix. Theoretisch kann ich mir allerdings einreden, die Triebwerke dafür zu entwickeln. Denn die Plasmaschupser, die wir bauen, haben einiges zu bieten. Der benötigte Treibstoff liegt bei einem Bruchteil von dem, was chemische Antriebe benötigen. (Außerdem ist ja heute eh alles out, was irgendwo im Namen „chemisch“ enthält). Da viele Satelliten heutzutage mehr fliegende Treibstofftanks sind und in der Regel zu über der Hälfte aus Brennstoff bestehen, lohnt es sich das Reduzierungspotential zu nutzen. Insbesondere, weil Gewicht ein limitierender Kostenfaktor in der Raumfahrt ist. Mal ganz davon abgesehen, dass ein weniger schneller fliegen auch ganz nett wäre. Heutzutage brauchen Raumsonden gut und gerne 5 bis 10 Jahre zur Sonne, Merkur und den Gasriesen, was jenseits jeglicher aufrechterhaltbaren Aufmerksamkeitspannen des Homo ADHSus liegt.

Büro mit individuellen Sicherheitsschuhen für die Komfortzone.

Stehts bemüht – das Japanische Optimum

Zurück zur Arbeit und dem anders. In Japan ist arbeiten definitiv anders und vor allem länger. Man kann es eigentlich nicht oft genug betonen, vor allem im Angesicht der ganzen Auswanderwilligen in unserer Heimat. Deutschland ist einfach das Land der entspannten Arbeitsbedingungen. Zwischen 26 und 30 Urlaubstage, 35 bis 40 Stunden Woche. Das sind in Japan die Arbeitszeiten eines Erwerbslosen. Denn hier gilt das Prinzip des Bemühens, erklärt mir ein Kommilitone. Jemand mit Talent, der ein Problem in 2 Stunden löst, verdiene nicht soviel Anerkennung wie jemand, der 2 Tage bis in die Nacht hinein an dem Problem arbeitet. Das klingt fair und anerkennend, führt aber zu einem zweifelhaften Anwesenheitswettbewerb.

Da das Studium auf das Arbeitsleben vorbereiten soll üben wir dafür auch an der Uni. So kommt es, dass die anderen Studenten mit mir um 20 Uhr gehen. Allerdings nicht wie ich nach Hause, sondern essen. Um dann bis 22 oder 23 Uhr an der Uni zu bleiben. Gut sie kommen auch erst um 11 Uhr mittags, aber scheinbar hat man auch in Japan einen Ruf als Student zu verlieren.

Was in der Vakuumkammer passiert, bleibt in der Vakuumkammer. Ach ja und auch hier Schuhe aus…

Was für brennende Atomkraftwerke gilt, ist auch im Labor die Maxime. Als ich feststellte, dass eine Schubmesswaage fehlerhaft war erntete ich eine handvoll betroffener Blicke. Alle wussten es. Seit einem halben Jahr. niemand hatte es dem Professor gesagt, um den Verantwortlichen den Gesichtsverlust zu ersparen.

Pantoffelhelden

Dafür ist es im Büro  wesentlich gemütlicher als in Deutschland. Teppiche und überall Pantoffeln. Selbst als Gast an anderen Instituten oder Firmen streift man am Eingang die Schuhe ab, um ein vom Gastgeber bereitgestelltes Fusspilzbiotop mit Plüsch anzuziehen. Zur Gemütlichkeit gehört auch dann und wann vor dem Bildschirm im Großraumbüro mal ein Nickerchen halten zu dürfen, ohne dafür kritische Blicke zu ernten. Vor allem Letzteres finde ich genial, weil wesentlich effektiver, als das verkrampfte auf den Bildschirm gestarre. Bekanntermaßen gilt hierzulande: Bloß nicht faul wirken, lieber regungslos nichts machen, anstatt sich kurz und effizient schlafend aufzuladen.

Einen Tick zu weit geht mir die kuschelige Atmosphäre allerdings dann doch. Denn häufig gibt es  sogar Betten in den Büros. Die sind für den Fall, dass man es letzte Nacht auf der Arbeit übertrieben hat. So bin ich ab und an Zweiter im Büro. Denn manchmal liegt da schon wer auf dem Sofa und schaut mich verschlafen an. Ätttoo.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert