Trampen in Japan: Geht, aber anders.
Ja ich bin wieder in alte Muster verfallen. Ich bin einfach ein Entdecker auf der Suche nach der ultimativen direkten Kulturerfahrung. Bin Unterwegs, Auge in Auge mit fremden Menschen aus anderen Ländern, um im stundenlangen Austausch meinen Horizont zu erweitern. Oder einfach nur geizig.
Jedenfalls bin ich mal wieder getrampt. Mehrmals. Habe Karton mit frisch aus-dünstendem Edding geschnüffelt und stundenlang in die Luft gestarrt.
Zunächst aber steht jetzt vermutlich wieder die universale Frage im Raum, die unabhängig ist vom Zeitalter und der Dimension. Die schon im Reich der Römer vom Ochsenkarrenfuhrmann gefragt wurde und auch eines Tages auf dem Mars gefragt werden wird. „Trampen? Geht das denn da überhaupt.“

Ich will mich ja nicht aufdrängen, aber..
Trampen ist in Japan extrem selten. Warum sollte mir später erklärt werden. Nach meiner ersten repräsentativen Datenerhebung antworteten zunächst zwei von fünf insgesamt japanische Mitnehmer auf „Hast du schon mal einen Tramper mitgenommen“ mit „Nein, aber ich habe es schon mal im Fernsehen gesehen.“ Das verwirrt mich tendenziell. Denn trampen im Kino endet eher mit einer Axt oder anderen Gegenständen, die für friedliche zwischenmenschlichen Interaktion nicht gerade förderlich sind. Als Inspiration nahmen es meine Mitnehmer allerdings nicht, weil ich meist auf Raststätte zum Essen, anstatt zum Zerstückeln eingeladen wurde. Aber vielleicht ist das auch nur aus Angst. Bevor er uns isst, geben wir ihm besser ein paar Nudeln.
Was viele Japaner aber wirklich erwartete, konnte mir schließlich ein japanischer Freund beantworten. Animiert von einer Tour mit mir macht er sich auf den Weg und konnte mit noch besseren statistischen Daten die Frage beantworten: 6 von 9 seiner Gönner, hätten ihn gefragt, ob sie jetzt im Fernsehen sind.
Alles aufs Fernsehen zu schieben wäre aber zu kurz gegriffen. In Japan wird Hilfsbereitschaft so wichtig genommen, wie in Deutschland das Fluchen über die anderen, das Wetter, Politik, die Welt und zu lange Aufzählungen, die den Textfluss stören. Deshalb ist das Verhalten nicht weiter überraschend.
Allerdings gibt es eine Sache, die in Japan noch wichtiger ist als Hilfsbereitschaft: Sich nicht aufzudrängen. Vermutlich, damit sie nicht ständig Hilfsbereit seien müssen. Zumindest bis ein Europäer daherkam und es nicht wusste.

Meine ersten Touren hatten so die ein oder andere unangenehme Erfahrungen zur folge, wie einen nervösen Fahrer der fast die ganze Zeit zitterte oder einen anderen, der Partout nicht verraten wollte wo er hinfährt und stattdessen immer mit der Gegenfrage wo wir den hin wöllten, antwortete. Dazwischen fuhren Leute an uns vorbei, die einen Gesichtsausdruck auflegten, als seien sie genötigt die drei Hauskatzen ihrer Großmutter zu überfahren.
Nachdem uns unsere interkulturelle Stümpernhaftigkeit erklärt worden war sattelten wir zu einer anderen Strategie um. Anstatt am Ausgang des Rasthofes mit einem Schild Fahrer anzulächeln setzten wir uns auf eine Bank auf dem Rasthof, nahmen uns Bücher zur Hand und lasen ohne die Umstehenden eines Blickes zu würdigen. In der Zwischenzeit verkündete ein höflich, zurückhaltendes Schild unser Anliegen.
Für Deutsche verwirrend, hier machen sie es so, wie es Sinn macht.
Japanische Rasthöfe haben die Ausmaße von Disneyland, sehen vergleichbar aus und haben eine ähnliche großes Sortiment an Souvenirs. Letzeres ist dem Umstand geschuldet, dass es sich für Reisende gehört immer etwas zu Essen mit nach Hause zu bringen und den Kollegen zu spendieren.
Autofahren hingegen ist in Japan nicht unbedingt der Hit. Grund dafür sind die hohen Mautgebühren, für die es im Prinzip schon möglich ist mit dem Shinkansen(das Japanische ICE äquivalent) zu fahren. Jener Zug, der zur Rush-Hour, zwischen vielen Städten im 10min Takt verkehrt, mit 300 km/h durchs Land düst und bei dem der Fahrer bei Verspätungen von unter einer Minute bereits zum Rapport gerufen wird.
Dazu im Gegensatz stehen die Autobahnen. Exorbitante Straßenmauten und häufig Tempolimit 80 auf den Expressways , die einem Deutschen das Gefühl einer Baustellenflatrate vermitteln. Ungewohnt und höchsten dazu geeignet einen optimalen Verkehrsfluss zu garantieren, die Zahl Verkehrstoten zu minimieren und die Umwelt zu retten. Ich weiß nicht warum sie das tun, aber andere Länder andere Sitten.
Tramper: You got one job…
Zurück zum Trampen, bzw. dem Sitzen neben einem Schild. Den einzigen Fehler den wir noch machen können ist aufzuschauen, während jemand das Schild ließt. Ansonsten lesen wir jetzt, bis sich jemand bei uns entschuldigt, weil er uns mitnehmen möchte. Und rumsitzen und lesen ist dann ja auch schon fast wie Bahnfahren, nur halt mit 80km/h. So bewegen wir uns nur mit S-Bahn Geschwindigkeit, aber für einmal das Land umrunden reicht es. Und wie überall beim Trampen, ob im römischen Imperium oder Bald auf dem Mars, geht es um die Erfahrung. Dafür sollte man auch in Japan Zeit mitbringen. Dann gehts auch.
