Geschüttelt und ungerührt: Erdbeben im japanischen Alltag

Wer kennt sie nicht? Ich zum Beispiel. Zumindest bis zu meinem zweiten Tag in Japan. Strengen europäischen Bräuchen folgend, saß ich mit meinem Betreuer auf dem Sofa und trank Kaffee. Potential- und Vektorgleichungen sollten mal wieder kurzfristig zur Zwischenmiete in meinem Hirn einziehen, weshalb das Ertränken in Koffein notwendig war. Beim Vollziehen der  heimischen Gepflogenheit, begannen wir über eine japanische zu sprechen. Erdbeben.

Erdbebensicheres Gebäude. Vermutlich Vollmaterial, mit Aussparungen für die Fenster.

-Wie ist es?
-Gewöhnst dich dran.
-Wie oft?
-Immer.
-Was macht man dann?
-Weiter arbeiten.

Gut, soweit die Sicherheitseinweisung. Wobei sich die Antworten hauptsächlich auf die Alltagsbeben bezogen. Genau das sind sie hier nämlich meistens, Alltag. Auf der Skala aufmerksamkeitserrgender Naturkatastrophen stehen sie nicht mal auf einem Niveau mit Gewittern. Leichte Erdbeben sind wöchentlich anzutreffen, aber das stört auch nicht weiter, da die meisten Häuser ohnehin aussehen, als würden sie selbst nach monatelangem Katapultbeschuss noch stehen bleiben. Massive Strukturen lassen viele Gebäude ausschauen, als seien sie Klettergerüste für Godzilla. Und der Eindruck täuscht nicht; seit den  80igern muss jedes japanische Haus mindestens einem 7.75 Erdbeben standhalten können. Konträr zu vielen anderen Ländern wird deshalb in Japan dazu aufgefordert bei einem Beben >im< Gebäude zu bleiben. Haupttodesursache bei einem Erdbeben seien nämlich Autounfälle. Also alles fast wie in Berlin.

Aber genug der Theorie. Der Anschaulichkeit halber schaute dann im Gespräch auch direkt mal ein Erbeben vorbei.

Ein kurzes Wippen meines Oberkörpers. Der kurze Kommentar meines Betreuers „Da ist ja schon eins!“ und der einträgliche optische Reiz eines leicht wippenden Blechregals bestätigte dann, dass ich es mir nicht eingebildet hatte.

zerstreuterstudent
Sammelt sich. Zerstreuter Student.

-Und jetzt
-Wenn es so heftig ist, dass Dinge runterfallen, sollte man untern Schreibtisch kriechen.

Aus irgendwelchen Sicherheitsgründen hat aber trotzdem jedes Büro eine markierte Sammelstelle, zum Einfinden im Notfall. Umsetzung: Ein DIN-A4 Blatt an der Wand über dem Sofa, auf dem ich meinen Kaffee trank.

Puh. Na dann hab ich ja alles richtig gemacht, bei meinem ersten Erdbeben.

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